Kein Ort in Schaffhausen verkörpert die reichhaltige Industriegeschichte des Kantons so eindrücklich wie die Stahlgiesserei. Im einst so unwirtlichen Mühlental sind über Jahrzehnte Tag für Tag hunderte Arbeiter ihrer harten, anspruchsvollen Tätigkeit nachgegangen und haben tonnenschwere Stahlgussprodukte hergestellt, die von hier aus den Weg in die ganze Welt fanden. Die wichtigsten Meilensteine im Überblick:
Der 29-jährige Johann Conrad Fischer kauft am
3. Juni die Kräutermühle im Mühlental, initiiert eine Schmelzerei für die Herstellung von Gussstahl und legt damit den Grundstein zum späteren Unternehmen Georg Fischer.
Fischer ist ein Pionier: Er gilt als einer der Erfinder des Stahlformgussverfahrens, das für die Industrialisierung grosse Bedeutung hatte. In Sandformen goss er Stahl zu beliebigen Gussstücken.
Georg Fischer II, der Enkel des Firmengründers, übernimmt die Betriebsleitung und produziert 1864 die ersten Rohrverbindungen – die berühmten Fittings – aus Temperguss. Die Werkstätte im Mühlental wird erweitert, das Unternehmen wächst stark.
Fischers Nachkommen nutzen die Stahlformgussproduktion nun industriell. Die Stahlgiesserei im Mühlental erhält ihre eigentliche Bedeutung.
Erste Stahlgussräder für Lokomotiven werden produziert, aus dem Unternehmen ist mittlerweile eine Aktiengesellschaft geworden.
Die ersten Lastwagenräder für Vollgummibereifung aus hochfestem Stahlguss werden hergestellt. Beim Siegeszug des Automobils ab Mitte des
20. Jahrhunderts ist GF einer der bevorzugten Lieferanten namhafter Firmen wie BMW, Daimler Benz, Opel oder Alfa Romeo.
Georg Fischer beschäftigt in Schaffhausen und Singen über 5'500 Angestellte und Arbeiter – in den 1950er Jahren machen sie und ihre Angehörigen nahezu einen Drittel der städtischen Bevölkerung aus.
Das Trilex-Rad, bestehend aus einem gegossenen Radstern und dreiteiliger Felge, wird während der abklingenden grossen Depression auf den Markt gebracht, es wird ein Verkaufsschlager.
Nach wirtschaftlichen Auf- und Abschwüngen brechen die schwierigen Kriegsjahre an. Die Stahlgiesserei wird umgebaut und vergrössert für die Produktion von Gussstücken bis 50 Tonnen.
Das 1500ste Peltonrad wird verkauft – die Turbinenräder für Wasserkraftwerke sind eine Spezialität des Unternehmens.
Die nochmalige Erweiterung der Grossstahlgiesserei wird abgeschlossen – möglich wird die Herstellung von Gussstücken bis 100 Tonnen.
Die Stahlgusskapazitäten werden halbiert, die für Georg Fischer einst so wichtige Giesserei im Mühlental wird trotz namhaften Aufträgen etwa für Panzer für die Schweizer Armee immer mehr zur Belastung für das Unternehmen.
Am 15. Januar 1991 kommuniziert die Konzernleitung, dass die Stahlgiesserei stillgelegt wird, am 1. November des gleichen Jahres wird dort zum allerletzten Mal gegossen.
In den riesigen Hallen herrscht gähnende Leere. Es beginnt eine lange Phase der Umnutzung: Kulturelle Projekte wie Filmvorführungen, Konzerte und Musicals werden durchgeführt, es entstehen unter anderem ein Kletterzentrum und ein Skaterpark.
Mit einem Partner erwirbt die Karl Klaiber Immobilien AG die ehemalige Stahlgiesserei. Erste Bebauungs- und Nutzungskonzepte werden erarbeitet und diskutiert.
Die Abrissarbeiten schreiten voran, gleichzeitig beginnt der Aufbau der neuen Stahlgiesserei. In beeindruckendem Tempo wird die Zukunft gebaut.
Die Bauzeit ist wie im Flug vergangen: Der neue Stadtteil steht, die Wohnungen sind vermietet, in den Gewerberäumlichkeiten geht es geschäftig zu. Die Spuren der Vergangenheit aber verschwinden nicht.